«Mir gefällt es, Situationen juristisch zu analysieren»
Nach der Matur 2003 am Rychenberg mit dem Profil Latein-Englisch hat Sabine Bezel Martin an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich studiert. Mit Stefan Hächler besuchte sie teilweise dieselben Vorlesungen, aber sie kannten sich schon aus dem Gymnasium, seit sie in die Klasse 1fG eingeteilt wurden.
Seit gut 12 Jahren arbeitet Sabine Bezel Martin als Rechtsanwältin und hat vor kurzem die Kanzlei übernommen, in der sie schon während ihres Studiums im Sekretariat gearbeitet hatte. Zur Vorbereitung der Anwaltsprüfung hat die Juristin nach dem Studium drei Jahre an einem Bezirksgericht Erfahrung gesammelt.
Sabine Bezel Martin ist verheiratet und hat zwei Töchter im Alter von 6 und 3 Jahren.
Was gefällt Dir an Deiner Arbeit als Rechtsanwältin?
Mir gefällt es, Situationen juristisch zu analysieren und zu konkreten Problemen zu recherchieren. Spannend finde ich auch, in einem Prozess quasi den gleichen Sachverhalt anders bzw. aus einem anderen Blickwinkel als die Gegenseite darzustellen.
Herausfordernd ist je nach Fall die menschliche Komponente. Gerade in für eine Partei existenzbedrohenden Situationen, ist es nicht immer einfach, dies nicht zu nahe an sich herankommen zu lassen, aber dennoch empathisch zu sein. Manchmal komme ich mir wie eine Psychotherapeutin ohne entsprechende Ausbildung vor.
Welche persönlichen Charaktereigenschaften braucht man, um erfolgreich in Deinem Beruf zu sein?
Als Anwalt oder Anwältin hilft es, wenn man den Kern eines Problems erkennen und mit einer gewissen Beharrlichkeit Ziele verfolgen kann. In jedem Fall braucht es die Bereitschaft, Neues zu lernen, da das Recht sich immer wieder ändert und das bisherige Wissen manchmal nicht mehr gilt.
Welche Schulfächer haben Dich auf das Studium vorbereitet?
Alle sprachlichen Fächer. Sogar die Lateinkenntnisse haben mir im Studium das Leben erleichtert, da mir das Lernen der lateinischen Fachbegriffe im römischen Recht dank dieser Vorkenntnisse leichter fiel. Auch hilft es z.B. bei einer Erbteilung, wenn man das Bruchrechnen beherrscht. Meine Arbeitskollegen preisen mich immer an als eine der wenigen Anwälte, die rechnen können.
Wie wichtig ist KI für Deine Arbeit als Rechtsanwältin?
KI benütze ich nur vereinzelt für Übersetzungen bzw. zum Schreiben fremdsprachiger Texte.
Für juristische Recherchen habe ich KI zwar ausprobiert, das Resultat hat mich jedoch nicht befriedigt. Die KI hat sogar die falschen Artikelnummern der relevanten Gesetzesbestimmungen angeben, was es auch erschwert, auf der Antwort mit eigenen Abklärungen aufzubauen.
Wie wichtig sind Sprachkenntnisse für Deine Arbeit?
Sprachkenntnisse sind sehr wichtig. Besonders die deutsche Sprache ist das Werkzeug, um das Gericht bzw. die Gegenseite vom eigenen Standpunkt zu überzeugen. Unter Umständen können sprachliche Finessen etwas ausmachen.
Um alle relevanten Bundesgerichtsentscheide lesen zu können, sollte man Französisch und allenfalls Italienisch zumindest verstehen. Zudem kann je nach Fachbereich Englisch sehr wichtig sein.
Wenn Du an Deine Zeit am Gymnasium zurückdenkst, was prägen Deine Erinnerungen an das Rychenberg?
Ich habe die Zeit am Rychenberg sehr genossen. Ich konnte breites Wissen aufsaugen, nicht nur fachlich, sondern manchmal auch fürs Leben. Besonders geblieben ist mir ein Satz meines Deutschlehrers: «Sabine, zeigen Sie Zähne! Lächeln Sie!»
Im Studium, besonders im ersten Semester, habe ich die Fächervielfalt des Gymnasiums vermisst und daher zum Ausgleich noch Vorlesungen anderer Studienrichtungen besucht.
Hast Du noch Kontakte zu Deinen Mitschülerinnen und Mitschülern?
Ja, vor allem mit Stefan Hächler verbindet mich eine Freundschaft, die – so gesehen – bis in die erste Klasse des Gymnasiums zurückreicht, als wir in die gleiche Klasse kamen: die 1fG, im Zimmer 36. Sein Sohn und meine Tochter bezeichnen sich gegenseitig als Freunde. Die Freundschaft hat sich also auf die nächste Generation übertragen, das ist schön.
Der Zufall wollte es auch, dass unsere Wohnorte – mit kleinen Verzögerungen – nie weiter als 20 Minuten auseinander gelegen sind und dass unsere erstgeborenen Kinder im Abstand von zweieinhalb Wochen auf die Welt gekommen sind.
Welchen Rat kannst Du unseren Schülern mitgeben?
Bleibt neugierig und bereit, Neues zu lernen. Dadurch können sich Türen öffnen.